Gemeinsame erfolgreiche Tagung
In einer alternden Gesellschaft braucht es passenden Wohnraum und Techniken und Technologien, die das Leben erleichtern können. Die zunehmende Digitalisierung kann dabei helfen, wenn die Menschen lernen, mit ihr umzugehen und sie zu beherrschen. „Digitale Technologien erleichtern und bereichern das Leben – insbesondere auch im Bereich des Wohnens“, so Dr. Sibylle Meyer, Professorin am SIBIS Institut für Sozial- und Technikforschung in Berlin, bei der digitalen Tagung „Wohnen und älter werden in Zeiten der Digitalisierung“. Mehr als 189 Zuhörer und Zuschauer folgten den Vorträgen und Diskussionen der Tagung, die vom vbw, vom Demografiebeauftragten für Baden-Württemberg sowie vom KomZet BW Kompetenzzentrum Smart Home and Living Baden-Württemberg gemeinsam getragen wurde. Durch die Tagung führten Benjamin Baecker vom vbw und Thaddäus Kunzmann, Demografiebeauftragter des Landes Baden-Württemberg.
Smart Home und smartes Quartier
Dr. Jürgen Jarosch, Geschäftsführer des Elektro Technologie Zentrums (etz), stellte das KomZet Kompetenzzentrum Smart Home and Living Baden-Württemberg vor. Ziel des Kompetenzzentrums ist es, den Markt Smart-Home and Living in Baden-Württemberg für die relevanten Marktpartner auf Angebots- und Nachfrageseite zu erschließen sowie die Einführung von Smart-Home and Living-Lösungen in allen Regionen und bei den wichtigen Zielgruppen voranzutreiben. Neben dem vbw ist auch das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation Mitglied im KomZet. Petra Gaugisch, Mitarbeiterin des Fraunhofer IAO stellte das Konzept „Hilfemix im Quartier“ vor. Digitalisierung findet nicht nur in der Wohnung statt, sondern betrifft das ganze Quartier. „Es entstehen zunehmend digitale Nachbarschaften“, berichtete sie. Ein Beispiel dafür sei die Plattform der „digitalen Dörfer“. Sie dient der Information und dem Austausch, der Kommunikation und der Organisation der Versorgung.
Dr. Jürgen Jarosch stellte das Kompetenzzentrum KomZet SHL BW vor.
Petra Gaugisch vom Kompetenzzentrum-Partner Fraunhofer IAO stellte das Konzept Hilfemix im Quartier vor.
Dem demografischen Wandel entgegen bauen
Benjamin Baecker vom vbw diskutierte unter dem Titel „Dem demografischen Wandel entgegen bauen“ mit Kunzmann, Meyer, Eberhardt, Schwarz und Wolfgang Schmitt, erster Vorsitzender Smart Home & Living Baden-Württemberg e.V. und Vizepräsident Fachverband Elektro- und Informationstechnik Baden-Württemberg, über die zentralen Knackpunkte einer alternden Gesellschaft und ihrer Digitalisierung. Die Diskutanten stellten fest, dass sich Familienarrangements ändern, die Seniorinnen und Senioren immer häufiger allein leben – oft hochbetagt und mit Pflegeunterstützung. Die Digitalisierung schreitet zwar voran, doch häufig ohne Einbeziehung der Senioren. Bei allen Defiziten lässt sich aber konstatieren, dass bei der Infrastruktur, bei der Ausstattung der Gebäude mit Stromanschlüssen und Steckdosen sowie Internet und WLAN immer bessere Bedingungen zu verzeichnen sind. Noch haben viele Seniorinnen und Senioren Nachholbedarf bei der Digitalkompetenz, doch zunehmend rückt eine Generation nach, die die Technik beherrscht. Digitale Wohn- und Quartiersmaßnahmen sorgen für Verbesserungen bei der Sicherheit, beim Wohnkomfort, bei der Vernetzung und Kommunikation. Fazit: In der zunehmenden Digitalisierung der Lebensbereiche liegt für alle Altersklassen die Zukunft.
Podiumsdiskussion „Dem demografischen Wandel entgegen bauen“
Zugang und Nutzung digitaler Technologien muss sichergestellt werden
Dr. Sibylle Meyer nahm in ihrem Vortrag den achten Altersbericht des Bundes zum Thema „Ältere Menschen und Digitalisierung“ in den Fokus. „Zugang und Nutzung digitaler Technologien müssen sichergestellt werden. Dies ist bei der Wohnsituation vieler älterer Menschen nicht immer einfach“, so Meyer. Denn meist wohnen sie zur Miete im Altbau mit einer geringen Barrierefreiheit und einer geringen technischen Ausstattung. So haben sie oft kein Internet, WLAN-Zugang oder die Geschwindigkeit ist ungenügend. Ältere wünschen sich durch die digitalen Technologien Sicherheit, Kommunikationsmöglichkeiten, soziale Einbindung sowie Komfort. Die Wohnung muss also Schnittstelle der Digitalisierung sein. „Die Wohnungswirtschaft und das Handwerk sind hier bei der Umsetzung gefragt“, so Dr. Sibylle Meyer.
Ausreichende Versorgung der Wohnung mit Stromanschlüssen
„Die Wohnungswirtschaft engagiert sich immer stärker im Bereich Smart Home für ihre Mieter“ ging Birgid Eberhardt, Bereichsleiterin Smart Home und AAL bei der GSW Gesellschaft für Siedlungs- und Wohnungsbau Baden-Württemberg in Sigmaringen darauf ein. „Neben mechanischen Ansätze wie Barrierefreiheit und Pflegegerechtigkeit gehören folgende Bausteine dazu, die Wohnung smart zu machen: elektronische Bedienelemente, elektrische Sensorik und Aktorik, lokal vernetzte Geräte und Geräte mit Anbindung an das Internet. Diese Elemente haben wir in unserem Quartier Future Living Berlin eingebracht. Eine besondere Bedeutung kommt bei allen Projekten der ausreichenden Versorgung der Wohnung mit Stromanschlüssen und Steckdosen sowie mit Breitbandanschluss zu“, betonte Eberhardt. Wichtige Basiselemente sind vernetzte Rauchwarnmelder, Herdwächter und eine gute Beleuchtung beispielsweise im Treppenhaus, dem Eingangsbereich und für nachts im Flur der Wohnung. „Auch die Vorbereitungen für intelligente Hausnotruf-Geräte, automatisierte Türöffnungssysteme, eine Video-Gegensprechanlage, automatisierte, elektrische Rollläden sowie ein „Alles-aus-Schalter“ sind hilfreiche Elemente. Weitere nützliche digitale Maßnahmen sind die digitale Heizungsthermostatregelung sowie Entertainment-Technologie“, betonte Birgid Eberhardt.
Mehrwert schaffen im (Pflege-) Alltag
Das LebensPhasenHaus in Tübingen bietet viele Möglichkeiten, die technischen und technologischen Möglichkeiten des Ambient Assisted Living (AAL), die für ein selbständiges Leben im Alter hilfreich sind, kennenzulernen und zu testen. „Das LebensPhasenHaus dient der Forschung, der Demonstration und der Begegnung“, so Professor Dr. Daniel Buhr von der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Es steht der Öffentlichkeit freitags zur Besichtigung offen. Jeder kann die unterschiedlichen Techniken anfassen und ausprobieren.
Auch Dr. Dietmar Becker, Geschäftsführer des Entwicklungszentrums Gut altwerden GmbH berichtete von Technik im Pflegealltag. „Hohe Kosten und keine nachhaltigen Finanzierungskonzepte sind der Grund dafür, dass derzeit Technik im Pflegealltag noch selten vorkommt. „Das muss sich ändern, damit wir gut alt werden können“ so Becker. Technische und technologische Care-Beispiele gibt es bereits viele: unterstützende Pflege-Assistenz-Roboter, die Vitalwerterfassung über vernetzte Geräte, den intelligenten Hausnotruf, die elektronische Medikamentenhilfe, Sturzprävention, vernetzte Kommunikation und Telemedizin. „Es gilt durch mehr Technik einen Mehrwert im Pflegealltag zu schaffen, der Mensch muss dabei aber immer zwingend im Mittelpunkt stehen“, so Becker.
Unterstützung und Planung für das Alter
Wie wichtig die Unterstützungsleistung für Senioren und Seniorinnen bei der Digitalisierung sind, zeigte Anja Schwarz, Geschäftsführerin des Landesseniorenrats Baden-Württemberg, auf. „Es bedarf Informations- und Beratungsstrukturen vor Ort sowie auch der Begleitung und Einweisung in neue Angebote. Zudem sollte jemand Hilfestellung bei Problemen und Schwierigkeiten bieten“, sagte sie. Ein großes Problem – nicht nur im ländlichen Raum – sei eine unzureichende Infrastruktur, zum Beispiel im Bereich der Glasfaser- oder Breitbandanbindung. „Hier gibt es noch deutliches Aufholpotenzial“, betonte sie.
„Begegnung ermöglichen und soziale Kontakte stärken“, darauf legte Alexandra Schäfer den Fokus. Schäfer leitet die VdK Baugenossenschaft aus Stuttgart. „Wir werden später einmal leichter mit den digitalen Techniken umgehen als die heutige Generation der Seniorinnen und Senioren. Sie wies auf die Plattform wegweiseralterundtechnik.de sowie den Verein Integrative Wohnformen hin. Die VdK Baugenossenschaft sorgt schon heute dafür, dass die Wohnungen im Neubau keine Barrieren aufweisen. Und sie schafft Gemeinschaftsräume, in denen Raum für Begegnungen bestehen.